In Sachen “Gesetz der Minimalkonstanz” ( = Viele kleine Schritte führen immer zu deinem erklärten Ziel, wenn du nicht vorher aufgibst!) und “Disziplin” habe ich von meinem Hund in den letzten zwei Jahren überwältigend viel lernen dürfen. Sie ist bis jetzt meine mit Abstand ausdauerndste und beste Mentorin, denn sie hat mir beigebracht, was ich mit Disziplin und Ausdauer erreichen kann. Seit einem Seminar in jüngster Vergangenheit bin ich Isabel einfach nur dankbar. Sie ist mein Lehrmeister fürs Leben. Vielleicht ist es dir auch schon mal genau so oder so ähnlich ergangen? Aber erst einmal von vorn.
Vom Kindheitstraum, dem eigenen Hund
Zuhause habe ich es nur bis zum Meerschwein geschafft, denn zu mehr waren meine Eltern nicht zu überreden. Nun gut – vor 2 Jahren war endlich der richtige Moment da: Das Haus war saniert, und wir wollten einem neuen Mitbewohner aus dem Tierschutz ein neues Heim geben.
Von was träumte ich, wenn ich über einen Hund nachdachte? Es ging um stundenlange Spaziergänge in der Natur, in denen man seinen Gedanken nachhängen kann. Ein tolles Mensch-Hund-Team sein. Sich in die Augen schauen und dabei einen besten Freund sehen.
Der Augenblick, wenn sich der Traum als Alptraum entpuppt
Okay, der erste Blick in die Augen dieser wunderschönen Hundedame hat uns beim ersten Tierheimbesuch sofort dazu veranlasst, Isabel einzupacken und mit nach Hause zu nehmen. Natürlich NACHDEM ich zig Bücher über Hundeverhalten, -erziehung usw. studiert hatte…
Isabell, ein Jagdhund durch und durch!
Die Desillusionierung ließ nicht lang auf sich warten, aller guter Vorbereitung zum Trotz. Natürlich klappte nichts so, wie ich es mir angelesen hatte. Ungefähr nach 2 Tagen war ich mit den Nerven fertig. Unser 10-monatiges Deutsch-Kurzhaar-Mädchen entpuppte sich als echte Terror-Ziege. Keine durchgeschlafene Nacht, die Hundebegegnungen an der Leine waren mit einem 2 Meter hoch springenden Hund eine Tortur. Ich hatte Nackenschmerzen nach den ersten Tagen vom Ziehen an der Leine, Isabell war völlig triebgesteuert. Für sie war ich einfach nur Luft. Und drinnen wusste sie nicht, wohin mit ihrer Energie – also ging sie über Tisch und Sofa. Das Essen auf der Küchenanrichte war im Nullkommanichts vertilgt. Wenn sie auch nichts sonst konnte – die Haustür selbst zu öffnen und den Garten in ein Tiefbauprojekt zu verwandeln, das lernte sie rasend schnell! Nach den ersten paar Wochen war ich völlig durch und bereit, die Hündin wieder ins Tierheim zurück zu bringen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie mein bislang “normales Leben” mit diesem Teufel jemals wieder “normal” werden sollte.
Erfolg braucht das richtige Umfeld und die richtige Einstellung
Zwei Sachen hielten mich davon ab, Isa wieder abzugeben: Ein herzzerreißend weinender Mann (“du kannst sie doch nicht wieder abgeben”) und mein erster Hundetrainer (Danke, Jupp!), der mir die Leviten las: “Du kannst doch nicht einen Hund aus dem Tierheim holen und dann erwarten, dass er sich direkt perfekt benimmt. Das ist alleine DEIN Problem und nicht das vom Hund, also gib ihr wenigstens eine Chance!” Wow, das hatte gesessen!
Mein Traum, meine große unumstößliche Vision, zu jedem Zeitpunkt dieses inneren Kampfes war, mit meinem Hund ohne Leine spazieren gehen zu können. Alle Trainer, die ich bis heute auf meinem zweijährigen Weg kontaktiert habe, wiegelten entweder schon am Telefon ab, während ich mein Problem schilderte, oder sie prophezeiten mir, dass es viel Arbeit werden würde. Eine Aussicht auf 100%igen Erfolg gäbe es bei dieser Rasse sowieso nicht. Was ich mir da eingebrockt hatte, erfuhr ich, als ich das erste Mal mit einem Jäger sprach: “Na, Deutsch-Kurzhaar und Drahthaar – ja, die kriegen bei uns GPS um den Hals und eine stichsichere Weste an, dann geht’s ab auf Treibjagd. Die entscheiden selber, was sie tun und holen passioniert und gewissenhaft jedes Wild aus dem Unterholz und treiben uns das vor die Flinte. Nach der Jagd holen wir sie eben da ab, wo das GPS sie uns anzeigt. Dafür wurden sie schließlich jahrelang gezüchtet, ein Radius von einem Kilometer ist normal. Und wenn man sich für so einen Hund entscheidet, dann muss man schon von Welpe an mit ihm arbeiten. Das, was dein Hund in ihrem früheren Leben gelernt hat, bekommst du nie wieder aus ihm raus! Die Rasse ist nur was für Jäger…”
…okay. Und ich wollte daraus einen Hund machen, mit dem ich verträumt durch die Gegend laufen kann, einen, der in meiner Nähe bleibt?!
In diesem Punkt musste ich meine Vision ein bisschen anpassen, gebe ich zu. Aus “verträumt” wurde “aufmerksam”, und “Nähe” ist ein dehnbarer Begriff. Aber der Rest ist geblieben!
Aufgeben gilt nicht!
Was soll ich sagen? Nach inzwischen zwei Jahren sind wir so weit, dass wir tatsächlich regelmäßig ohne Leine unterwegs sind! Natürlich noch lange nicht überall. In diesen zwei Jahren habe ich mehrmals frustriert das Handtuch geschmissen, aber spätestens am nächsten Tag wieder aufgehoben! Anfangs hatte ich das Gefühl, einfach NIEMALS am Ziel anzukommen. In manchen Momenten hätte ich vor Scham im Boden versinken können. Nämlich die ersten Male, nachdem ich mich getraut hatte, die Leine loszumachen. In den Momenten voller Herzklopfen, weil der Hund eine Dreiviertelstunde nicht mehr auftauchte, bis ich wieder am Auto stand – dann eine hechelnde Isabel mit glückseligem Gesichtsausdruck vor mir, völlig fertig, mit den Augen fragend: “Das war toll, gehen wir jetzt nach Hause?” In diesen Momenten schauen dich Hundebesitzer schief an. Tendenziell diejenigen, die noch nie eine Hundeschule besucht haben und bei denen einfach alles automatisch klappt. Die, wie ich lernen durfte, restlichen 90% aller Hundehalter. Womit hatte ausgerechnet ich das verdient? Ich hab’ doch nichts verbrochen?! Die Anderen schauen dich einfach nur schief an, weil sie nicht verstehen können, dass dein Hund eben nicht auf den Rückruf hört. Aufgeben war für mich aber auch keine Option.
Der größte Rückschlag war eine komplizierte Sprunggelenksfraktur: Isa hatte mir beim Arbeiten die Schleppleine unter den Füßen weggerissen, sodass ich sehr unglücklich stürzte. Das war der Zeitpunkt, zu dem alle um mich herum sagten: “Gib’ dich damit ab, dass der Hund an der Leine bleibt!” Das Ziel fest im Auge, arbeitete ich in den 6 Wochen, in denen ich ans Sofa gefesselt war, härter mit ihr als je zuvor. Wenn man wirklich will, findet man einen Weg! Sobald die Schraube wieder draußen wäre, wollte ich weitermachen und keinen Tag verlieren. Also widersetzte ich mich der Empfehlung des Arztes und arbeitete mit einer Physiotherapeutin sofort nach der OP am Muskelerhalt und damit also neben dem Hund auch an mir selbst. Jetzt erst recht!
“Steter Tropfen höhlt den Stein.” “Dranbleiben lohnt sich.” Verschiedene Trainer, Bücher, Übungen, Hundesportarten, stundenlanges Training, Blogs, Austausch mit Leidensgenossen, Ausprobieren von verschiedenen Hilfsmitteln und Hundevereinen haben mich immer wieder einen Schritt weiter in Richtung Ziel gebracht. Manche Dinge waren nichts für uns, andere klappten bis zu einem gewissen Punkt, wieder andere zeigten die Wirkung erst, nachdem ich sie schon längst durch andere Übungen ausgetauscht hatte und dann erst merkte, dass sie doch ihren Sinn hatten. Und irgendwann greift auch das “Schneeball-Prinzip” und plötzlich klappen zig andere Dinge, an denen ich gar nicht bewusst gearbeitet habe. Ich könnte schon wieder weinen – allerdings inzwischen vor Glück, wenn ich mit meiner schönen Jagdhündin durch die Rheinauen streife, unangeleint!
Tja, was habe ich in diesen 2 Jahren eigentlich gelernt? Viel mehr als nur “Hundeübungen”, soviel kann ich versichern. Hier sind die Lehren, die ich aus der bisherigen Zeit mit meiner Mentorin gezogen habe:
Ich hoffe, ich konnte dir Mut machen oder einen Push geben: An welchem Thema auch immer du gerade ziehst, bleibe bitte dran! Es zahlt sich doppelt und dreifach aus! Die Energie, die es dir gibt, wenn du das erste Mal den Erfolgt siehst, ist mit nichts zu bezahlen!